Implementierung

Systematische Implementierung (Einführung) von ACP in Institutionen, Settings oder Regionen

Individuelle Ebene
Das Kernelement von Advance Care Planning ist ein, durch speziell dafür qualifizierte Gesundheitsfachkräfte begleiteter, von Achtsamkeit und Respekt geprägter kommunikativer Prozess zur Ermittlung des Patientenwillens. Dabei werden Angehörige oder andere Vertrauenspersonen, insbesondere der/die Bevollmächtigte, in das Gespräch einbezogen, sofern und sobald die betreffende Person dies wünscht. In vielen Situationen und Settings empfiehlt es sich, die dabei eruierten Präferenzen und Festlegungen auf eine Weise zu dokumentieren, die es klinischen Fachpersonen wie auch den Vertrauenspersonen/Bevollmächtigten erleichtert, im Anwendungsfall entsprechend dem Willen der betroffenen Person zu handeln.

Dadurch wird, anders als dies bei der bisherigen Herangehensweise an Patientenverfügungen der Fall war, auch für im Voraus getroffene medizinische Behandlungsentscheidungen für den möglichen Fall künftiger gesundheitlicher Krisen der Informed consent-Standard bestmöglich realisiert. Zu dem Vorgehen nach diesem Standard gehört, dass die Person im Vorfeld der Entscheidung über die zu entscheidende Situation genau aufgeklärt wurde, ihr die dann gegebenen Handlungsoptionen mit ihren jeweiligen Chancen und Risiken erklärt wurden und sie Gelegenheit hatte und dabei unterstützt wurde, die für sie individuell richtige Entscheidung zu treffen.

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In diesem Gesprächsprozess kann die vorausplanende Person, unterstützt durch Informationen und Anregungen, herausfinden, ob sie im Fall einer lebensbedrohlichen Erkrankung mit dem Ziel der Lebenserhaltung behandelt werden will oder das Sterben unter palliativer Begleitung zulassen möchte. Besteht grundsätzlich der Wunsch nach Lebenserhaltung durch medizinische Maßnahmen, kann gemeinsam überlegt und geklärt werden, welche Belastungen und Risiken lebenserhaltender Maßnahmen als akzeptabel angesehen werden und ob bestimmte Behandlungen/Maßnahmen wie z.B. eine Herz-Lungen-Wiederbelebung oder eine Krankenhauseinweisung auf Wunsch der vorausplanenden Person ausgeschlossen werden sollen.

Solche ACP-Gespräche orientieren sich streng an den Bedürfnissen und Fähigkeiten der vorausplanenden Person. Der Gesprächsprozess dauert im Mittel kumulativ 2-3 Stunden und erstreckt sich in der Regel über mindestens zwei Termine. Weitere mögliche Teilnehmer an diesem Gesprächsprozess sind neben den schon erwähnten Vertrauenspersonen der (Haus-)Arzt, der z.B. zur Besprechung offener medizinischer Fragen hinzugezogen werden kann und den Prozess abschließend mit verantwortet (4-Augen-Prinzip). Als sinnvoll hat sich das Angebot erwiesen, Angehörige und den (zukünftigen) rechtlichen Vertreter einzubeziehen, damit diese die Wünsche des Betroffenen kennenlernen und mittragen können.

Ist die betroffene Person aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht (mehr) in der Lage, selbst über ihre weitere Behandlung zu entscheiden, wird ihrem rechtlichen Vertreter das Gespräch angeboten. Dabei geht es unter größtmöglicher aktiver Einbeziehung des zu Vertretenden darum herauszufinden, was die betroffene Person sich für die zukünftige Behandlung wünscht. Nicht selten ist dazu die Einbeziehung weitere Vertrauenspersonen geboten. In der Regel sind mehrere Gespräche erforderlich, bis die beteiligten Personen sich des Behandlungswillens der betreffenden Person ausreichend sicher ist. Erst dann kann eine aussagekräftige Patientenverfügung bzw. Vertreterdokumentation verfasst werden.

ACP ist also gemeinsame Entscheidungsfindung (Shared Decision Making) für den Fall künftiger gesundheitlicher Krisen, und spezifisch qualifizierte nicht-ärztliche ACP-Gesprächsbegleiter (Englisch: facilitators) sind eine neue Rolle im Gesundheitswesen. Der Prozess der Gesprächsbegleitung ist mit der einmaligen Erstellung einer Vorsorgedokumentation nicht etwa abgeschlossen. Vielmehr wird er im Laufe des Lebens immer wieder aufgenommen, wenn sich die gesundheitliche Situation oder die Lebenswelt des Vorausplanenden und seine Wünsche an medizinische Behandlungen verändert haben, oder auch wenn die letzte Aktualisierung bereits einige Jahre zurückliegt.

Institutionelle Ebene

Auf der Systemebene werden alle relevanten regionalen Institutionen und Versorgungsstrukturen in die Implementierung von ACP eingebunden und die dort tätigen Personen so geschult bzw. informiert, dass die resultierenden Vorausverfügungen im Fall zu treffender Behandlungsentscheidung regelmäßig verfügbar sind und zuverlässig respektiert werden.

Auf Ebene der Einrichtungen der Seniorenpflege und der Eingliederungshilfe besteht die Aufgabe darin, eine Kultur zu schaffen, in welcher Bewohner den Raum erhalten und aktiv befähigt werden, ihre Behandlungswünsche insbesondere auch für künftige Situationen, in denen sie sich nicht mehr selbst äußern können, im Voraus zu äußern – und in der diese Behandlungspräferenzen im Anwendungsfall auch beachtet werden. Hierfür ist zum einen die konsequente Unterstützung durch Einrichtungs- und Pflegedienstleitung erforderlich sowie zum anderen die Information und kontinuierliche Schulung des Pflegepersonals und anderer in der Einrichtung tätiger Berufsgruppen sowie nicht zu vergessen die Information der Angehörigen.

Entsprechendes gilt für die Implementierung von ACP in ambulanten Settings, etwa für die Zielgruppe ambulant gepflegter gebrechlicher Menschen.

Archivierung, Zugriff, Transfer

Im regionalen Versorgungssystem stellen entsprechende Standards und Routinen sicher, dass die entstandenen Vorausverfügungen im Bedarfsfall auch tatsächlich verfügbar sind. Die Verfügung ist dazu in den Patienten- bzw. Bewohnerakten (ob papierbasiert oder elektronisch) an prominenter, leicht auffindbarer Stelle abzulegen. Bei Verlegung des Bewohners einer Pflegeeinrichtung in ein Krankenhaus ist eine Kopie der Verfügung stets Teil der Überleitung.

Aktualisierung/Konkretisierung im Verlauf

Die schriftliche Vorausverfügung ist von allen Beteiligten nur als Zwischenergebnis eines kontinuierlichen, lebenslangen Gesprächsprozesses zu verstehen. Eine Wiederaufnahme der Gesprächsbegleitung ist sinnvoll insbesondere

  • bei neu auftretenden oder sich verschlechternden chronischen Erkrankungen,
  • nach überstandenen stationären Aufenthalten oder
  • bei Verlust nahestehender Menschen.

Falls es nicht zu solchen Ereignissen kommt, sollte die Vorausverfügung in regelmäßigen Abständen (z.B. im Rahmen von hausärztlichen Vorsorgeuntersuchungen) angesprochen und ggf. aktualisiert werden.

Beachtung und Befolgung durch Dritte

Alle an der Patientenbetreuung Beteiligten in der Region werden darin geschult, die so entstandenen Vorausverfügungen zu beachten und im Bedarfsfall angemessen umzusetzen. Bei der Neuimplementierung eines ACP-Programms sind hierfür entsprechende Informationsveranstaltungen für alle beteiligten Berufsgruppen und Institutionen sowie die detaillierte Verankerung von ACP in den einschlägigen institutionellen Routinen (z. B. des Qualitätsmanagements) erforderlich. Insbesondere die Befolgung von Notfall- und Krisenbögen durch den Rettungsdienst erfordert eine gründliche Vorbereitung aller Beteiligten.

Kontinuierliche Qualitätssicherung

Jedes ACP-Programm sollte regelmäßig mit geeigneten Maßnahmen die Prozess- und Ergebnisqualität überprüfen und ggf. verbessern, um eine verlässliche Vorausplanung zu gewährleisten. Von besonderer Bedeutung – und gleichzeitig die größte Herausforderung – ist dabei die Evaluierung der Qualität der Gesprächsbegleitung.

Interne Vernetzung gemäß der Umsetzungsvereinbarung zu § 132g SGB V Text
  • 10 Interne Vernetzung

(1) Die Einrichtung informiert einrichtungsintern die Mitarbeitenden über Sinn und Zweck der Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase und hat im Rahmen ihres Aufgabenbereiches sicherzustellen, dass die Ergebnisse der gesundheitlichen Versorgungsplanung (Willensäußerungen der Leistungsberechtigten/des Leistungsberechtigten) beachtet und eingehalten werden. Äußert die Leistungsberechtigte/der Leistungsberechtigte gegenüber dem Personal der Einrichtung Änderungswünsche zu ihren/seinen geäußerten Vorstellungen und Wünschen für die Versorgung in der letzten Lebensphase und den festgelegten Beratungsergebnissen, ist unverzüglich die zuständige Beraterin/der zuständige Berater einzubinden.

(2) Die ständige Verfügbarkeit der Dokumentation muss von der Einrichtung gewährleistet werden und unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Vorgaben gemäß § 9 Abs. 5 dem Personal in der Einrichtung sowie den beteiligten Versorgern zur Verfügung stehen. Bei Verlegung der Leistungsberechtigten/des Leistungsberechtigten z.B. in ein Krankenhaus oder eine andere Einrichtung sind die entsprechenden Unterlagen unter Beachtung datenschutzrechtlicher Bestimmungen gemäß § 9 Abs. 5 in Kopie mitzugeben.

Regionale Ebene

Systematischer Implementierungsprozess

ACP ist ein systematisches Konzept für die regionale Umstrukturierung eines Gesundheitswesens mit dem Ziel, einer patientenzentrierten Versorgung stärkeres Gewicht zu verleihen, insbesondere für medizinische Behandlungen bei aktueller oder dauerhafter Nichteinwilligungsfähigkeit. Dieser Systemwandel ist von einzelnen Akteuren kaum zu leisten. Es bedarf vielmehr der konzertierten Anstrengung eines regionalen Teams, dem Leitungen bzw. Führungskräfte verschiedener Bereiche angehören sollten.

Neben der Netzwerkbildung sind die spezifischen ACP-Rollen zu beachten.
  • Im Zentrum steht der ACP-Gesprächsbegleiter, der, wo immer möglich, in Kooperation mit hierfür zertifizierten Hausärzten tätig wird.
  • Für die Qualifizierung der ACP-Gesprächsbegleiter werden ACP-Gesprächsbegleiter-Trainer benötigt.
  • Für eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit sind ACP-Botschafter wünschenswert, die durch Vorträge etc. Basisinformationen vermitteln und dazu anregen, über das Thema (und konkret die eigenen Behandlungspräferenzen) nachzudenken.
  • Zudem braucht eine Region einen verantwortlichen ACP-Koordinator, der die Qualifizierungsprozesse, die Netzwerkbildung sowie Maßnahmen der Qualitätssicherung vorantreibt. Zu Beginn der regionalen Implementierung eines ACP-Programms sollte nur mit Institutionen und Personen zusammengearbeitet werden, die von der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des Systemwandels besonders überzeugt sind und das gerade in der Anfangsphase erforderliche Engagement mitbringen. Unabdingbar ist zudem die vorbehaltlose Unterstützung des Vorhabens durch die jeweiligen Leitungspersonen.
§ 11 Externe Vernetzung gemäß der Umsetzungsvereinbarung gemäß § 132g SGB V

(1) Die an der Versorgung Beteiligten, z.B. Ärzte, Rettungsdienste, SAPV-Teams und Kliniken, sind über das Angebot der gesundheitlichen Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase nach § 132g SGB V sowie den Einsatz von verwendeten Notfalldokumenten vorab zu informieren. Um den dokumentierten Willensäußerungen der Leistungsberechtigten/des Leistungsberechtigten mit Blick auf die medizinisch-pflegerische Versorgung gerecht werden zu können, ist durch die Beraterin/den Berater eine enge Zusammenarbeit mit den regionalen Leistungserbringern, insbesondere mit niedergelassenen Ärzten, Krankenhäusern, Rettungsdiensten, ambulanten Hospizdiensten, Hospizen, SAPV-Teams,  Seelsorgern und anderen Institutionen ggf. auch unter Berücksichtigung der speziellen Struktur zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen sicherzustellen.

(2) Die Einrichtung hat darauf hinzuwirken, dass die regionalen Versorgungs- und Betreuungsanbieter die Ergebnisse der gesundheitlichen Versorgungsplanung beachten.

(3) Die Berater der Einrichtungen in der Region sollen regelmäßige Treffen (z.B. Runde Tische) mit den regionalen Leistungserbringern durchführen oder an Treffen vorhandener regionaler Netzwerke (z.B. Palliativnetzwerke, Hospiznetzwerke, kommunale Netzwerke) teilnehmen.

Standards

Implementierung

Qualifizierung

Unterstützungsleistungen

Notfallplanung (INP)

FAQ

Dokumentation (Vorausverfügung)

Downloads

Über
uns

Das Kernelement von ACP ist ein durch speziell dafür qualifizierte Gesundheitsfachkräfte begleiteter, von Achtsamkeit und Respekt geprägter, kommunikativer Prozess.

Infos &
Ressourcen

Der Gesprächs­prozess ist das Herzstück einer Voraus­planung. Unter Begleitung durch einen qualifi­zierten Gesprächs­begleiter nehmen der Voraus­planende und weitere relevante Personen daran teil.

Qualifikation

Die Qualifizierung der Gesprächsbegleiter:innen erfolgt durch eigens dafür qualifizierte Trainer:innen. Geeignet mit Vorerfahrungen in der Lehre.

ACP-
Netzwerk

Zusammenschluss mit Gleich-gesinnten im Sinne einer überregionalen Vernetzung.