ACP
Advance Care Planning
Deutschland

Abstracts zur Parallelsitzung 2.1.:
ACP gem. § 132g in Pflegeeinrichtungen

Moderation: Marcus Hecke, Hospiz Team Nürnberg e.V.


Es braucht Zeit! Eine erste Analyse des Zeitaufwandes von ACP Gesprächen in der stationären Alten- und Eingliederungshilfe

Gabriele Port, LMU Klinikum, München

Hintergrund: § 132 g SGB V fördert die gesundheitliche Versorgungsplanung in stationären Einrichtungen der Alten- und Eingliederungshilfe.
Fragestellung: Wie hoch ist der Zeitaufwand von ACP Gesprächen und wer ist daran beteiligt?

Methoden: Prospektive, multi-zentrische, deskriptive Studie mittels „Begleitdokumentationen Zeiterfassung“ der Arbeitsgruppe „Forum ACP für Menschen mit kognitiven Einschränkungen“.

Ergebnisse: Insgesamt nahmen von 2019 bis 2023, 11 Einrichtungen (8 x Eingliederungshilfe, 3 x Altenhilfe) in Bayern teil. Es wurden 767 Prozesse (639 Leistungsberechtigte Eingliederungshilfe, 128 Altenhilfe) ausgewertet. Insgesamt wurden 4542 Gespräche analysiert (durchschnittlich fanden 5 Gespräche pro Prozess statt). Die Gespräche teilten sich inhaltlich wie folgt auf: 1274 (28%) Information, 1671 (37%) Patientenverfügungen (PV), 1289 (28%) Vertreterdokumentationen (VD), 91 (2%) Aktualisierung PV und 217 (5%) Aktualisierung VD. An den Gesprächen waren zusätzlich zum Gesprächsbegleiter beteiligt (Mehrfachnennung möglich): Leistungsberechtigte 55%, Angehörige/rechtliche Vertreter 28%, Mitarbeitende der Einrichtung 56%, externe Kooperationspartner 2% und Ärzte 13%. Der Zeitaufwand für den GB betrug im Mittel pro Prozess: Altenhilfe 3 h 24 min, Eingliederungshilfe 7 h 7 min.

Schlussfolgerung: Für die ACP-Prozesse ist eine hohe Anzahl von Gesprächen mit einem hohen zeitlichen Aufwand notwendig, welche die interne und externe Implementierung noch nicht einschließt.

Advance Care Planning in der stationären Langzeitpflege in Deutschland

Mia Seeba, Universität Bremen/Universitätsklinikum Jena

Hintergrund: Advance Care Planning ist ein Konzept zur gesundheitlichen Vorausplanung für das Lebensende, das im Zuge des demografischen Wandels immer mehr an Bedeutung gewinnt. So wurde 2018 in Deutschland die Refinanzierung von ACP in der stationären Langzeitpflege gesetzlich verankert. Die Implementierung hat in Deutschland jedoch noch nicht weitreichend stattgefunden. Fragestellung: Wie kann ACP Pflegefachkräfte bei der Versorgung am Lebensende in der stationären Langzeitpflege in Deutschland unterstützen?

Methoden: Um die Wirkung von ACP auf die pflegerische Versorgung von Menschen am Lebensende zu untersuchen, wurde eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken PubMed, Cochrane und Google Scholar mit, u. a. folgenden Suchbegriffen für die Jahre 2018-2023 durchgeführt: „Advance Care Planning“ AND „Elderly“.

Ergebnisse: Es wurden sechs (inter)nationale Querschnittstudien in die Stichprobe eingeschlossen. Es zeigte sich, dass ACP die Handlungssicherheit von Pflegefachkräften durch eine umfangreiche Kommunikation und Dokumentation des Patient*innenwunsches verbessern kann. Durch die Implementierung des Konzepts werden unterstützende ambulante Dienste in der palliativen Begleitung pflegebedürftiger Menschen etablierter. Ihre Einbeziehung kann zu einer Entlastung von Pflegefachkräften in der Versorgung von Menschen am Lebensende führen. Durch den Nebeneffekt reduzierter Krankenhauseinweisungsraten wird eine umfassendere palliative Begleitung möglich, die das berufliche Wohlbefinden stärken kann. 

Schlussfolgerung: Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass eine flächendeckende Implementierung von ACP wünschenswert ist und dass es weiterer Forschung für eine verbesserte Evidenzlage bedarf. Untersuchungen der Rate von Krankenhauseinweisungen palliativer Patient*innen und deren Auswirkung auf eine mögliche Be- oder auch Entlastung für die berufliche Zufriedenheit von Pflegenden könnten zusätzlich interessante Ergebnisse liefern. 

Hospizdienst als externer Anbieter für die „gesundheitliche Versorgungsplanung“: Umsetzung und Entwicklung in der Region Unterallgäu/Memmingen

Johannes Wegmann, Sankt Elisabeth Hospizverein Memmingen-Unterallgäu e. V.

Hintergrund: Der Sankt Elisabeth Hospizverein Unterallgäu / Memmingen bietet seit September 2019 für regionale Pflegeeinrichtungen die Leistung nach §132g SGB V als externer Anbieter an. In 12 Pflegeeinrichtungen haben heute ca. 800 Bewohner*innen die Möglichkeit sich beraten zu lassen. Seit 2019 wurden ca. 300 Beratungen durchgeführt (Stand 30.06.2023) werden.

Fragestellung: Welche Strategien und Lösungen gibt es zur Umsetzung? Worin liegen die Herausforderungen?

Ergebnisse: Umsetzung nur durch erhebliche Anschubfinanzierung möglich. Institutionelle Implementierung ist stark von Personen abhängig.
Externe Anbieter haben andere strukturelle und finanzielle Herausforderungen. Beratungen durch Berater-Pool wird in der Altenhilfe als gewinnbringend gesehen. Offensive Akquise notwendig, um Einrichtungen zu gewinnen.

Kulturwandel durch die Implementierung von Advance Care Planning in Pflegeeinrichtungen? 
Eine qualitative Untersuchung der Wahrnehmungen und Erfahrungen von Mitarbeiter:innen


Angela Fuchs, Universitätsklinikum Düsseldorf

Hintergrund: Im Rahmen der clusterrandomisierten kontrollierten BEVOR-Studie zur Wirksamkeit und klinischen Effektivität von ‚Advance Care Planning‘ (ACP) in Einrichtungen der stationären Seniorenpflege wurde ACP u. a. in vier Einrichtungen im Rhein-Kreis Neuss implementiert. In einer begleitenden Masterarbeit wurde untersucht, wie die Mitarbeiter:innen dieser Einrichtungen die Einführung des ACP-Konzeptes wahrgenommen haben. Ziel war die Identifikation fördernder und hindernder Faktoren für die Umsetzung von ACP und die Überprüfung der Frage, ob durch die Implementierung ein kultureller Wandel in den beteiligten Pflegeeinrichtungen angestoßen worden sein könnte.

Methoden: In den teilnehmenden Einrichtungen wurden in den Monaten August und September 2022 Fokusgruppen mit Mitarbeiter:innen durchgeführt, um ihr subjektives Erleben der ACP-Implementierung zu erfassen. Die Fokusgruppen wurden aufgezeichnet und verbatim transkribiert. Die Auswertung erfolgte anhand der inhaltlich strukturierten qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz und wurde durch die Software MAXQDA unterstützt. Auswertungstreffen zum offenen Codieren in multidisziplinären Teams ermöglichten einen tieferen Blick auf das Material und die Identifikation von Schlüsselkategorien.

Ergebnisse: Aus Sicht der Mitarbeiter:innen ergaben sich durch die Einführung des ACP-Konzeptes verschiedene positive Effekte, darunter eine vereinfachte Handhabung und Umsetzung der ACP-Dokumente im Vergleich zu den herkömmlichen Patientenverfügungen, eine gesteigerte (rechtliche) Handlungssicherheit, eine Veränderung tradierter Denk- und Handlungsmuster und ein offenerer Umgang mit dem Thema Tod (Schlüsselkategorie Stärkung). Kritisch bewertet wurde die Umsetzbarkeit vor dem Hintergrund mangelhafter palliativer Versorgung und personeller Ressourcen sowie das Gefühl, nicht ausreichend bei der Implementierung einbezogen worden zu sein (Schlüsselkategorie Überforderung).

Schlussfolgerungen: Um einen nachhaltigen Kulturwandel im Sinne des ACP-Konzeptes erreichen zu können, sind Anpassungen bei der Implementierung von ACP in den Pflegeeinrichtungen nötig. Dazu zählen eine einheitliche digitale Dokumentation, die Sichtbarmachung der Reanimationsentscheidungen, der kontinuierliche Einbezug der Mitarbeiter:innen bei Konzeption und Implementierung sowie eine Verbesserung der palliativen Versorgung.