ACP
Advance Care Planning
Deutschland

Abstracts zur Parallelsitzung 3.5:

Moderation: Prof. Dr. med. Ralf Jox


ACP bei Demenz: Erfahrungen und Herausforderungen 

Christian Lange, Diakonie Michaelshoven Pflege und Wohnen gGmbH Köln

Inhalte: Was bedeutet an Demenz erkrankt zu sein für den Menschen und seine An- und Zugehörigen sowie Chancen und Herausforderungen in der Gesprächsbegleitung mit Menschen die an Demenz erkrankt sind.

Zusammenfassung:
Versorgungsplanung bei an Demenz erkrankten Menschen fordert Beziehungsarbeit und Zeit. Die größte Herausforderung besteht darin, die Strukturen und Beziehungen im Umfeld des an Demenz erkrankten Menschen zu erkennen zu verstehen und eine Vertrauensbasis bei allen Beteiligten zu schaffen.
Fundierte Aufklärungsarbeit über das Konzept ist notwendig, um Sorgen und Befürchtungen bei Angehörigen, rechtlichen Vertretungen und dem behandelnden Arzt auszuräumen. 
Dies ermöglicht die Schaffung einer vertrauensvollen Atmosphäre, in der die Ermutigung und Befähigung zur Diskussion und Entscheidung über medizinische, pflegerische und palliativ-pflegerische Maßnahmen erfolgen kann. 
An Demenz erkrankt zu sein bedeutet aber auch zu fühlen, Wünsche und Bedürfnisse zu haben, schöne Momente erleben zu können. Diese individuell zu erfüllen und denen nachzukommen, sollte unsere täglichen Handlungen leiten.

Entscheidungsassistenz bei gesundheitlicher Vorausplanung von Menschen mit Demenz: das Projekt DECIDE 

Dr. Tanja Müller, Goethe-Universität Frankfurt am Main & Jonas Karneboge, Universität Siegen

Inhalte: Advance Care Planning (ACP) ist ein Konzept zur gesundheitlichen Vorausplanung, das Menschen dabei unterstützen soll, zukünftige Behandlungswünsche für den Fall einer Einwilligungsunfähigkeit zu dokumentieren. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Patientenverfügung ist Einwilligungsfähigkeit. Was passiert aber, wenn bei Menschen mit Alzheimer-Demenz (MmAD) die Einwilligungsfähigkeit für das Erstellen einer gesundheitlichen Vorausplanung angezweifelt wird?
 
Zusammenfassung: Gemäß Artikel 12 der UN-Behindertenrechtskonvention und dem reformierten Betreuungsrecht in Deutschland ist es erforderlich Menschen mit Behinderung (auch: Menschen mit Alzheimer-Demenz, MmAD) Maßnahmen bereitzustellen, die es ihnen ermöglichen, ihr Recht auf Selbstbestimmung wahrzunehmen. Derartige Maßnahmen werden als Entscheidungsassistenz bezeichnet.
Die aktuelle Studie untersucht eine Entscheidungsassistenzmaßnahme, welche die Ressourcen von MmAD fokussiert. Anstatt wie in bisherigen Studien primär auf inhaltlicher Ebene (z.B. durch Stichwortlisten) zu unterstützen, soll das Zuhause als vertrauter Ort eine räumliche Intervention zur Entscheidungsassistenz bilden. Hierzu wird die Einwilligungsfähigkeit von MmAD für das Erstellen einer Patientenverfügung im Zuhause der Teilnehmer*innen (vertrauter Ort) und in einer Gedächtnisambulanz (unvertrauter Ort) erfasst und miteinander verglichen. Die Stichprobe bilden Menschen mit einer Verdachts- oder gesicherten Diagnose der Alzheimer-Demenz, welche im Rahmen der Regelversorgung zweier Gedächtnisambulanzen rekrutiert werden. Um die Vertrautheit mit dem Zuhause als moderierende Variable zu erfassen, wurde ein bestehender Fragebogen zur Erfassung der subjektiven Wohnbedeutung für MmAD angepasst und befindet sich in der Validierung. Es werden erste Ergebnisse der räumlichen Intervention vorgestellt. Zur Erfassung der Einwilligungsfähigkeit für die Vorausentscheidung, welche ACP beinhaltet, wurde ein Messinstrument entwickelt, zu welchem ebenfalls erste Ergebnisse vorgestellt werden können.

ACP und die Rolle von Vertretungspersonen von Menschen mit Demenz 


Dr. Julia Fischer, Technische Universität München

Um ACP-Prozesse im Kontext Demenz besser zu verstehen, ist es wichtig, sich die Rolle der Angehörigen genauer anzuschauen – und zwar aus deren Sicht. Dies geschieht zu selten. Die Rolle der Angehörigen ist eine relationale, sie bedingt sich durch die Vertretungsverantwortung der Angehörigen gegenüber dem Menschen mit Demenz. Zumeist wird das Handeln der Angehörigen deshalb dahingehend analysiert und bewertet, was ihr Verhalten für den Menschen mit Demenz, nicht aber für sie selbst bedeutet. Das mag angesichts der aktuellen medizinethischen Ausrichtung an Patientenautonomie folgerichtig erscheinen. Dabei wird allerdings übersehen, dass es sich negativ auf eben jene Patientenautonomie auswirken kann, wenn die selbstbezogenen Interessen der Angehörigen ignoriert bzw. negiert werden. Der Vortrag wird anhand empirischer Fallbespiele die letztgenannte Behauptung veranschaulichen und darüber nachdenken, inwieweit die Interessen der Vertretungsperson bei ACP-Prozessen im Kontext Demenz Berücksichtigung finden dürfen und müssen.